Sind Sie ein guter Chef? – Das Drama Ressourcenverschleiss

Herr und Frau Unternehmer, Hotelier Gerichtspräsidentin, Regisseurin, Sportvereinspräsident, Verwaltungsratspräsidentin, Managerin und Geschäftsführer, Coiffeurmeisterin, Zirkusdirektor, Gemeindepräsident, Arbeitsgruppenchefin, Teamleiter, Abteilungsleiterin, Spitaldirektor, Stiftungsratspräsidentin, Chefarzt, Gemeindeverwalterin, Bahnhofvorstand, Gemeinderat, Kanzleichefin, Instruktorin. – Sie alle sind Chefs und Chefinnen und führen Menschen.​

Neueste Studien zeigen ein erschreckendes Bild. Modellrechnungen des US-Beratungsunternehmens Gallup sprechen von 124 Milliarden Euro Schaden, der deutschen Unternehmen durch demotivierte Mitarbeiter jährlich entsteht. In der Schweiz kann man diese Zahl durch 10 teilen. Es bleibt eine Riesenzahl. Die gleiche Studie zeigt auf, dass nahezu jeder 4. Mitarbeiter innerlich gekündigt hat. Diejenige Gruppe, die lediglich Dienst nach Vorschrift macht, weil sie nur noch eine geringe emotionale Bindung an das Unternehmen bzw. an den Arbeitsplatz verspürt, macht über 60 % aus! Lediglich 15% der Mitarbeitenden sind voll motiviert, – alle anderen sind dies nicht! Was ist bloss passiert mit den vielen Menschen, die grundsätzlich durchaus leistungsbereit sind?

Der wichtigste Grund für diese Misere sind die inkompetenten Chefs. Viele dieser Chefs sind aufgrund ihrer Sympathieboni, ihres Namens und sehr oft ihrer fachlichen Qualifikationen in ein Amt gewählt oder befördert worden. Gar nicht so selten spielen auch narzisstische Charaktereigenschaften beim Vorwärtskommen und beim Überholen eine Rolle. Für Führungsanforderungen haben sie oft keine Ausbildung, weshalb sie denn führungstechnisch schnell überfordert sind. Als Führungspersönlichkeit wird man nur sehr selten geboren, nicht wenige neigen dazu, sich zu überschätzen.

Wie definiert man gutes Führungsverhalten und gute Chefs? Man könnte ebenso fragen, was erfolgreiche Organisationen und Unternehmen von weniger erfolgreichen unterscheidet. Es sind vor allem die Chefs mit ihrer Grund- und Wertehaltung, ihren charakterlichen Eigenschaften und ihren Fähigkeiten, mit Menschen umzugehen.

Ein guter Chef oder eine gute Chefin muss seinen/ihren Mitarbeitenden mitteilen, was die Ziele sind und was von ihnen erwartet wird. Und zwar so, dass sie es verstehen. Ein guter Chef muss verlässlich sein, muss klare Werte und Positionen vertreten, auch bei Gegenwind. Ein Wort muss ein Wort bleiben. Er muss seinen Mitarbeitern spüren lassen, dass er ihnen vertraut, z.B. indem er richtig delegiert. Er sollte Gelassenheit ausstrahlen, Prioritäten setzen können und er muss wissen, wann es sich zu kämpfen lohnt und wann nicht. Ein guter Vorgesetzter schützt seine Mitarbeitenden vor Ungerechtigkeit, vermag ihnen gleichzeitig die Lust an der Leistung zu vermitteln. Er/sie ist eine Identifikationsfigur und erzeugt emotionale Bindung.

Aus oben erwähnter Studie geht auch hervor, dass mangelnde Wertschätzung und mangelndes Vertrauen als Hauptgründe gelten, weshalb Mitarbeitende ein Unternehmen verlassen oder sich stark demotiviert einigeln, – und somit nur noch einen Teil ihrer möglichen Leistung einbringen. Es existiert ein direkter Zusammenhang zwischen der entgegengebrachten Wertschätzung und der emotionalen Bindung von Mitarbeitern an ein Unternehmen oder eine Organisation.

Unternehmen und Organisationen können nur erfolgreich sein mit guten Mitarbeitern. Aufgrund der demographischen Entwicklung dürfte es in den nächsten 20 Jahren die über Sieg und Niederlage entscheidende Hauptaufgabe sein, gute Mitarbeitende zu finden und diese zu halten. Demotivation ist schlichtweg verboten. Erfolgreiche Vorzeigeunternehmen machen uns vor, wie es möglich ist. Die Stichworte «flache Hierarchien, Motivation durch Sinn, Platz für Individualität und Kreativität, Verpflichtung auf Werte, Flexibilität trotz guter Organisation, Kultur der Augenhöhe, führen mit gut kommunizierten Zielen, besondere Wertschätzung auch für ältere Mitarbeitende, Weiterbildungs-offensiven, Transparenz, Selbstverantwortung, längerfristiges Denken, sinnvoller Umgang mit Fehlern und Konflikten», werden weiter an entscheidender Bedeutung zunehmen. Womit wir wieder bei der Wertschätzung angekommen sind.

Warum um Himmels Willen lässt man es hierzulande in Unternehmen und Organisationen zu, dass weit über 80% der Mitarbeitenden demotiviert sind und bei weitem ihre Leistung nicht bringen können oder wollen? Warum realisiert man den immensen materiellen und menschlichen Schaden nicht? Warum wundert man sich über die zunehmenden Absenzen, Burnouts und Kündigungen? Über schwindende Qualität, reklamierende Kunden, Imageschäden und Streitereien innerhalb und ausserhalb der Organisationen und Firmen, – und über die immer kleineren existenzbedrohenden Renditen?

Weil die Chefs mit unglaublicher Ignoranz und Selbstgefälligkeit das Problem verdrängen. Weil sie befürchten, dass ihre Unfähigkeiten aufgedeckt werden, und dass man mit dem Finger auf sie zeigen könnte. Aber so handeln nur schlechte Chefs. Die erfolgreichen Chefs scheuen sich nicht, Probleme und Schwachstellen in ihrer Aufbau- oder Ablauforganisation aufzudecken. Die guten Chefs behaupten nie, sie seien fehlerlos, sie sind immer bestrebt, sich zu verbessern. Zusammen mit ihren Mitarbeitern, zugunsten der ganzen Organisation und Unternehmung.

Keine Unternehmens-Organisation ist perfekt, jede Organisation lässt sich optimieren und anpassen. Dafür muss sich ein Chef nicht schämen, denn dies ist naturgegeben ganz normal. Organisationen und Unternehmungen sind einem dauernden Veränderungsprozess unterworfen, – technisch, personell, finanziell. Schämen muss sich der Chef nur dann, wenn er Probleme verdrängt und notwendige Anpassungen nicht anpackt., – wenn er nicht führt.

Bei der Auswahl von Führungskräften sollte man nebst den fachlichen Fähigkeiten und den absolvierten Ausbildungen vermehrt auf die menschlichen Werte achten. Dazu gehören Führungsfähigkeit, Belastbarkeit, ein gesundes, aber nicht übersteigertes Ego, Kommunikationsfähigkeit, gesunder Menschenverstand, Gradlinigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Anstand.

Wenn ein Chef oder eine Chefin diese Voraussetzungen nicht mitbringt und nicht erlernen will, gehört diese Person nicht auf einen Chefposten.

Der Chef ist nicht verantwortlich, dass seine Mitarbeitenden motiviert sind. Aber es liegt ganz direkt in seiner Hand, dass sie nicht demotiviert werden. Denn der Fisch stinkt vom Kopf, – und zwar auf allen Führungsstufen. Der Schaden, den demotivierende Chefs in allen Etagen anrichten, ist materiell und menschlich untragbar und unentschuldbar. Wenn in Organisationen und Unternehmen über 80% der Mitarbeitenden demotiviert sind, muss dieser grauenvolle Umstand als Ressourcen-Drama bezeichnet werden. Dramen enden meistens ganz schlecht.